Nach den weltweiten Listen der UNESCO, „Weltnaturerbe" und „Weltkulturerbe" (zu welch letzterem die Semmeringbahn seit 1998 zählt), gibt es seit 1992 ein weiteres Register, „Memory of the World", in welches Dokumentenbestände von besonderer Bedeutung aufgenommen werden. Das Technische Museum Wien ist als Nachfolger des 1885 gegründeten k. k. historischen Museums der österreichischen Eisenbahnen in der glücklichen Lage eine herausragende Dokumentensammlung zur Semmeringbahn zu besitzen, welche per 31.10.2017 in dieses Weltdokumentenregister aufgenommen wurde. Aus diesem reichen Fundus schöpfend ist nun der Hauptteil dieses Buches entstanden. Es enthält außer den Beiträgen der schon Genannten solche der Museumsmitarbeiter Peter Payer, Thomas Winkler und Anne-Katrin Ebert sowie der externen Autoren Gerhard G. Gürtlich und Gerhard Gobiet, von letzterem mit besonderem Fokus auf den nun endlich angelaufenen Basistunnelbau. Neben eisenbahntechnischen Aspekten kommt auch eine von den Erbauern, für die die schroffen Formationen des Gebirges nur ein heroisch zu überwindendes Hindernis auf dem Weg nach Triest waren, unerwartete Nebenwirkung nicht zu kurz, nämlich die Entwicklung des Semmerings als touristische Destination, die in der Entstehung der mondänen Hotel- und Villensiedlung Semmering kulminierte. Eine beträchtliche Bilderzahl dokumentiert diesen Kosmos an historischen Bauten, für die zuweilen sogar der Begriff „Semmeringstil" verwendet wird, aber es heute infolge politischer wie gesellschaftlicher Umbrüche schwer ist einen gangbaren Weg in die Zukunft zu finden. Daneben erblühte auch ein Massentourismus weniger Begüterter, die auf Wanderungen in der vielfältigen Bergwelt Erholung suchten und fanden. An diesem weiterhin aktiven Segment hat die Eisenbahn als Zubringer heute leider nur einen minimalen Anteil. In den essayartigen Betrachtungen, in die die vielen Bilder eingestreut sind, werden zum Beispiel die Geräusche und Gerüche der Bahn, deren Wahrnehmung in einem breiten Spektrum zwischen furchtbar störend und faszinierend schwanken kann, behandelt. Hier hätte der Rezensent etwa einfügen können: „Wer in den 50er Jahren am offenen Fenster eines bergfahrenden Schnellzuges sich die reine, durch gelegentliche Rauchschwaden unterbrochene Gebirgsluft um die Ohren blasen ließ, das Singen der Räder in den engen Bögen und das rhythmische Auspuffgeräusch der beiden schwer arbeitenden Loks wahrnahm und den Blick auf die Wagenschlange, an deren Ende sich zuweilen noch eine dritte Lok befand, richtete und beobachtete, wie sich das Ganze über zahlreiche Viadukte und Tunnels wand, der mochte geradezu das Gefühl haben der Aufführung eines Gesamtkunstwerkes beizuwohnen." Ein weiterer, bislang in der Literatur ausgesparter Aspekt ist die hier angesprochene Tatsache, dass, wenn auch Ghegas Bauten sich noch so harmonisch in die Landschaft fügen, daneben nicht wenige Kollateralschäden an der Landschaft passierten wie etwa das brutal den Hang hinabgeworfene Ausbruchmaterial unter der Polleroswand, das der aufmerksame Beobachter noch heute wahrnimmt. Eine Anmerkung zu Seite 84/85 „Ansicht der Semmeringbahn vom Göstriz, 1852": Diese Ortsbezeichnung ist ein obsoletes Synonym für den Sonnwendstein. Der Rezensent konnte anhand eines eigenen Fotos den Standort verifizieren. Wesentlich deutlicher als heute ist die wegen Felssturz aufgegebene Trasse an der Weinzettelwand zu erkennen.
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