Die im Vortragstitel aufgeworfene Frage fuhrt schnell in schwierige Probleme. Einerseits sind unsere hoheren geistigen Fahigkeiten wie reflexives Selbstbewusstsein, Aufmerksamkeitssteuerung, Willensbildung oder unser ichhaftes Identitatserleben an intakte neuronale Hirnstrukturen gebunden. Entsteht unser Ich, unser Wille also irgendwie im Geflecht der Neuronen unserer Gehirne? Andererseits scheint sich eine Instanz, die wir als Ich zu bezeichnen gewohnt sind, mittels der bewusst erlebten Anteile unseres Willens auch neuronaler Strukturen des Gehirns bedienen zu konnen. So haben wir immer wieder den vollig sicheren Eindruck unser bewusster Wille sei der zentrale Entscheidungstrager unseres Verhaltens. Soweit damit lediglich die uns bewussten Anteile unserer Willensbildung gemeint sind ist dies sicher eine Illusion. Die meisten unserer Verhaltensweisen sind in hohem Masse unbewusst motiviert und wir wissen nichts von den wahren Inhalten unseres Erlebens und den wahren Motiven unseres Verhaltens. Im Erfinden von bewusstseinsfahigen Begrundungen fur uns sonst nicht ohne weiteres verstandliche Verhaltensweisen sind wir dafur aber ausserordentlich kreativ. Das gilt fur die Partnerwahl, den Umgang mit den Kindern wie fur den Griff zur Zigarette oder andere zuweilen lebensverkurzende Gewohnheiten. Die Aufrechterhaltung der machtigen Illusion des souveranen Willens und bewussten Entscheidens ist uns vielleicht gerade im individuations-seeligen Westen oft so wichtig, dass wir dessen Infragestellung als nicht hinzunehmende Krankung erleben.
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