Wie soll das gehen - ein großes politisches Ziel, einige sprechen von Vision, vorgeben und kleine, pragmatische Schritte auf dem Weg zu dessen Realisierung vorschlagen, die niemanden erschrecken oder überfordern? Vor dieser schier unmöglichen Aufgabe steht das gerade neu gewählte Europäische Parlament, das Anfang Juli zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt und schon Mitte Juli den neuen Präsidenten oder die Präsidentin der neuen Europäischen Kommission wählen will. Die Rede ist vom wiederholt proklamierten Ziel der „Verteidigungsunion" oder der „Armee der Europäer" oder der „Europäischen Armee" oder, oder, oder. So richtig benennen lässt sich dieses Ziel offenbar noch nicht, weshalb mal der eine, mal der andere Begriff verwendet wird, jeder eine Worthülse, die erst noch gefüllt werden muss. Nur „weit-politikfähig" soll die Europäische Union werden, wie sich der scheidende Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ausdrückte. Aber was heißt das? Und was heißt das für Parlament und Kommission, die beiden supranationalen Institutionen der Union, die, so sagen es die Verträge, nur dem Unionswohl verpflichtet sind, nicht den einzelnen nationalen Interessen. Gespitzt sind viele Münder, nur gepfiffen hat noch niemand - jedenfalls keine harmonische Melodie. Denn drei große Stücke gilt es zu spielen, an die sich so richtig noch niemand heranwagt. Die direkt gewählten Parlamentarier könnten die Tonlage vorgeben. Sie sind demokratisch legitimiert und beaufsichtigen das Handeln der Kommission, die sich schon vor Jahren angeschickt hat, die Sicherheitsund Verteidigungspolitik schrittweise zu europäisieren. Die Zeit drängt, denn die internationale Ordnung ist im Umbruch und Europas Platz ist nicht mehr automatisch in der ersten Reihe, die Plätze seiner „großen" Nationen schon gar nicht. Ideen gibt es genug. Das Parlament könnte, ja es müsste Laut geben, und zwar deutlicher wahrnehmbar als bisher.
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