Aktuelle Entwicklungen im Strahlenschutz Die internationale Neubewertung des Strahlenrisikos und deren Auswirkung auf nationale und internationale Regelwerke

摘要

Nach einer ausfuhrlichen und sehr offen gefuhrten Debatte innerhalb der Strahlenschutzer und anderer interessierter Parteien hat die ICRP 2007 ihre neuen Grundsatzempfehlungen zum Strahlenschutz als ICRP Publikation 103 veroffentlicht. Um es gleich vorweg zu sagen: Das Strahlenrisiko ist praktisch gleich geblieben, an einigen Stellen wurde es sogar bemerkenswert geringer von der ICRP eingeschatzt. Anderungen fur die Grenzwertsetzung wurden hieraus jedoch nicht abgeleitet. Die deutsche kerntechnische Industrie hat den Prozess der Entstehung der neuen Grundsatzempfehlungen aufmerksam verfolgt und versucht, ihre umfangreichen Erfahrungen auf dem Gebiet des Strahlenschutzes in die Debatte mit einzubringen. Und in der Tat gibt es Veranderungen von dem ersten Entwurf 2005 bis zur Endfassung im Jahre 2007, die dazu fuhrten, dass die Empfehlungen den praktischen Bedurfnissen nunmehr besser entsprechen. Die Kernbotschaft lautet "Stabilitat und Kontinuitat" und wird von uns sehr begrusst. Die Strahlenexposition, die aus gut organisierten Arbeiten in den kerntechnischen Anlagen resultiert, ist sehr gering und weit unterhalb der Grenzwerte. Dies ist eine Folge des funktionierenden ALARA-Prinzips. Die drei grundlegenden Prinzipien des Strahlenschutzes "Rechtfertigung, Optimierung und Grenzwertsetzung", die die ICRP bereits vor Jahrzehnten entwickelt hatte, wurden in den meisten Landern in Rechtsvorschriften ubernommen und werden erfolgreich angewendet. Sie sind durch die neuen Empfehlungen bestatigt worden. Beibehalten wurden aber auch solche wichtigen Dinge wie die Dosisdefinitionen, das Konzept der effektiven Dosis, die Mittelung uber Alter und Geschlecht und die Einteilung der Expositionsgruppen (strahlenexponierte Personen, Personen aus der Bevolkerung, Patienten). Bei der Neufassung der ICRP Empfehlungen gibt es aber auch Punkte, die unserer Auffassung nach kritikwurdig sind. Hierzu gehort die zentrale Rolle, die die ICRP nunmehr so genannten Dose Constraints (bisher als Dosisschranke ubersetzt, kunftig als Dosisrichtwert bezeichnet) zuweist. Die Idee, fur alle Quellen von Strahlenexpositionen ein Dose Constraint festzulegen, fuhrt nur zu unnotiger Burokratie und lenkt von der zentralen Bedeutung des ALARA-Prinzips bei der Strahlenschutzoptimierung ab. In der Praxis haben sich bisher einige wenige Dosisrichtwerte hingegen als nutzlich erwiesen, im Sinne eines Benchmarks bzw. als Kennzeichen guter Strahlenschutzpraxis. Ein anderes Beispiel fur Anderungen, die fur die Praxis nicht unbedingt sinnvoll sind, ist die Einfuhrung neuer Begriffe und Sichtweisen. Beispielsweise spricht die ICRP nunmehr von Expositionssituationen, wahrend fruher die Praxis bzw. Interventionen, also Prozesse, im Vordergrund standen. Anstatt von der "kritischen Gruppe" spricht man nun von "Referenzpersonen". Ein Gewinn fur die Sicherheit ist aus dieser neuen Begriffswelt nicht zu erkennen.