ES&T: Herr Kiesewetter, in diesem Monat wird Joe Biden als neuer US-Präsident in sein Amt eingeführt. Alle erwarten, dass mit ihm besser über eine gemeinsame Politik gesprochen werden kann. Führt das auch dazu, dass vor allem Deutschland mehr in die Pflicht genommen wird? Kiesewetter: Auch unter einem US-Präsidenten Joe Biden werden wir uns darauf einstellen müssen, dass die Forderungen nach einem stärkeren deutschen Engagement und einer gerechteren transatlantischen Lastenteilung nicht aufhören werden. Angesichts vielfältiger Herausforderungen wie neuen systemischen Rivalitäten, der zerbröckelnden Rüstungskontrollarchitektur, Terrorismus, disruptiver Technologien oder dem Klimawandel ist das auch folgerichtig. Die USA verändern ihre eigene Rollendefinition und sind heute, etwa im Pazifik, durch andere Herausforderungen gebunden als früher. Daher wird von uns erwartet, mehr Verantwortung vor unserer eigenen Haustüre wahrzunehmen. Wir spüren heute die Auswirkungen von Konflikten in dem Bogen von der Sahelzone über den Nahen Osten bis hin nach Osteuropa unmittelbarer. Daher ist es auch in unserem Interesse, hier für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Dass die USA mit dem Brexit einen neuen Hauptansprechpartner in der EU suchen werden, kann für Berlin eine Chance auf Intensivierung unserer Beziehungen sein.
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