Das Buch eines, wenn auch berühmten, französischen Historikers in einer bibliothekswissenschaftlichen Zeitschrift zu besprechen, bedarf zweifellos einer Rechtfertigung. Sie findet sich im ausführlichen Nachwort des Herausgebers. In wenigen Sätzen wird dort ein kaum bekanntes Kapitel bibliothekarischer Zeitgeschichte aufgeschlagen. Fernand Braudel (1902-1985), zu ihm noch später, geriet im Juli 1940 als Leutnant in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach der Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen brauchten Offiziere in den eigens für sie vorgesehenen Offiziersgefangenenlagern nicht zu arbeiten, und überdies gab es mit dem kollaborierenden Vichy-Regime des Marschalls Petain Vereinbarungen, die den Gefangenen eine relativ korrekte Behandlung garantierten. So war es Lern- und Lehrwilligen möglich, sich studierend oder unterrichtend zu betätigen oder wissenschaftlich zu arbeiten, ja es wurden sogar Lageruniversitäten - Centres universitaires - gegründet.1 Nach kurzem Aufenthalt in einem Auffanglager in Neuf-Brisach kam Braudel bis Juni 1942 in das Offizierslager in der Mainzer Zitadelle, anschließend bis zur Befreiung im Mai 1945 in ein Sonderlager bei Lübeck.
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