Welche Auswirkungen haben Freiräume auf die Gesellschaft? Karsten Berr, Wissenschaftler in der Philosophie an der Universität Vechta, verortet diese Frage in der Architekturethik. Berr versteht darunter ein Nachdenken, das transparent macht, welche ethischen Aspekte im Entwerfen berührt werden. In der Philosophie wird das als „deskriptive Ethik" bezeichnet. Sie ist zu unterscheiden von der „normativen Ethik", die Antworten für das Handeln liefern möchte und von der „Meta-ethik", die sich mit Begründungen ethischer Fragestellungen befasst, die nicht unmittelbar in der Praxis verankert sind. Diese Unterschiede - deskriptiv, normativ, metaorientiert — müsse man bedenken, so Berr, um klar zu machen, dass es in einer Architekturethik nicht darum geht, ein Handeln vorzuschreiben (normativ) oder sich rein mit Begründungen zu beschäftigen (metaorientiert). Stattdessen soll die Architekturethik Entwerfer dazu anregen, eine andauernde Reflexion über das eigene Handeln hinsichtlich ethischer Aspekte zu kultivieren. In der Diskussion nach seinem Vortrag, den er im Dezember 2016 an der TU Berlin hielt, skizzierte er zwei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, den Entwurfsprozess retroperspektiv zu betrachten, und zwar indem der Entwerfer im Rahmen von Interviews erklärt, warum er welche Entscheidungen getroffen hat. Die Aufgabe des Wissenschaftlers besteht dann darin - in Präzision eines mit qualitativen Methoden geschulten Hermeneutikers -, die ethischen Abwägungen im Entwerfen offenzulegen. Die andere Möglichkeit ist, die Wechselwirkung von gesellschaftlichen Debatten und realisierten Entwürfen zu betrachten. Hierbei könnten beispielsweise medientheoretische Methoden hilfreich sein. Zwei Möglichkeiten gibt es also bereits. Man darf auf die künftigen Resultate der Untersuchungen gespannt sein.
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