Tatsächlich: Es nervt. Wenn beispielsweise leicht bekleidete Touristinnen durch die großen Museen dieser Welt latschen und vor jedem Superstar der Kunstgeschichte ein vielkommentiertes Selfie machen. Oder wenn sich in Kirchen massenweise Masse durch Haupt- und Seitenschiffe schiebt und vor jedem Säulenheiligen Selfies und so weiter macht. Oder sich vor den Brunnen, in den Parks, den ruhigen Höfen, auf den schwindelmachend hohen Befestigungsanlagen drängelt oder in dem Restaurant in einem Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert über die Karte lästert und schließlich lautstark „Burger mit Cola" bestellt. Aber warum eigentlich nervt es, wenn Menschen in Orte eindringen, zu denen sie möglicherweise keinerlei kulturelle Verbindung haben und mit ihrer als aggressiv empfundenen Präsenz den Connaisseurlnnen die Laune verderben? Ein Werk von Rembrandt Harmenszoon van Rijn hinter einer Wand kurzbehoster Flip-Flop-Trägerlnnen? Ein Museumstempel, gerade noch im spiegelglatten Spreewasser zu doppelter Größe stilisiert, hinter bunten Sonnenschirmen und laut jubelnden Planschgästen, sportiven Rudererinnen oder monoton „Eis, Erdbeereis, Schokoladeneis, Straccia-tella" deklamierenden Eisverkäuferinnen? Die Frage nach dem, was Kultur ist - gerne selbstüberschätzend und wissenschaftsgeschichtlich fragwürdig „Hochkultur" genannt - und wer hier hoheitlich die Grenzen ziehen darf, ist eine alte; in Berlin kocht sie gerade auf der Museumsinsel hoch. Nein, es geht nicht um koloniale Vergangenheit, nicht um Restitution und Wiedergutmachung, es geht ums Schwimmen. Direkt vor der Hochkunst auf der Insel im ungemütlich kaltdunkel glänzenden Spreekanal.
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