Bratislava - die (un)geplante Stadt

摘要

Bratislava, ungarisch Pozsony, deutsch Pressburg, die ehemalige ungarische Krönungsstadt, ist nach einer überaus bewegten Geschichte direkt an der Bruchlinie der großen europäischen Kulturen und Reiche entlang der Donau heute die Hauptstadt der Slowakei. Nun hat es die slowakische Akademie der Wissenschaften unter Federführung von architektur.aktuell-Autorin Henrieta Moravčíková unternommen, die Bau-und Planungsgeschichte der Stadt im 20. und 21. Jahrhundert exakt zu vermessen, zu dokumentieren, zu interpretieren und zu publizieren. Ergebnis ist ein 623 Seiten starkes zweisprachiges Buch (SK/EN), das auf anschauliche und beeindruckende Weise den permanenten morphologischen Wandel der Stadt illustriert. Dieser bildet einerseits höchst unterschiedliche „Imaginarien" der Machteliten als Planungsziele ab und reagiert andererseits auch auf die drastischen historischen Zäsuren der Jahre 1918, 1939 und 1945, aber auch 1993, als die Slowakei ihre Souveränität errang. „Zwei Drittel der Stadt", so verrät die Projektbeschreibung, „wurden nach den klassischen Prinzipien der modernen Architektur und des modernen Städtebaus geplant. Paradoxerweise beeinflussten jedoch viele dieser städtebaulichen und architektonischen Konzepte das urbane Gewebe nicht im Sinne der ursprünglichen Intentionen, sondern im gegenteiligen." Diese Erkenntnis zählt wohl zu den Grundlehren der Stadtplanung. Man würde sich eine so profunde wie praktische Übersicht über die Planungsgeschichte einer Stadt auch für andere europäische Metropolen wünschen - die Geschichte der Stadtplanung ist ja überhaupt noch ein höchst ausbaufähiges und zukunfts- relevantes Fachgebiet, dem bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Sucht man etwa Überblickswerke zur Stadtentwicklung der nur 60 km entfernten österreichischen Hauptstadt Wien, wird man auf nichts Vergleichbares stoßen. Einer der Gründe dafür ist der Mangel an innovativen Methoden zur Erforschung, Visualisierung und didaktischen Vermittlung von Themen der Stadtplanung: Mit den traditionellen Daten, Statistiken und Diagrammen ist es heute wohl nicht mehr getan. Hier können auch digitale Methoden helfen, die Stadtplanungsideen authentisch im virtuellen Raum visuell nachvollziehbar zu machen. Die Studie von Moravčíková und ihren vier Mitautoren thematisiert verdienstvoll auch diese wichtige Frage der Stadtgeschichtsschreibung und entwickelt eine hybride Methode architektonischer, urbanistischer und architekturhistorischer Forschung sowie Visualisierungen. Das Buch ist in drei Hauptkapitel gegliedert. Zuerst gibt es eine Timeline 1740-2020, dann die Geschichte des modernen Städtebaus in Bratislava und schließlich eine wertvolle Klassifikation urbaner Situationen in zwöf Typen: Die Bandstadt kommt hier ebenso vor wie Ufersituationen, die Ringstraße und Quartiere, die von bestimmten Bautypen dominiert sind (Verkehr, Industrie, Wohnbau ...). Am Ende folgen noch Biografien der Stadtplaner, die in konventioneller Architekturhistoriographie oft anonym bleiben. Ein wertvoller neuer Blick auf das Phänomen Stadt.