Der private Adolf Loos. Zwei Ausstellungen zum 150er

摘要

Die Moderne ist (auch) das gro?e Projekt zur Befreiung des Individuums aus gesellschaftlichem Zwang mit dem Ziel einer ungehemmten Selbstverwirklichung für alle. Dieser Prozess der Individualisierung aller Lebensbereiche durch eine profunde Lebensreform durchlief mehrere Stadien. Otto Wagner, der Begründer der Wiener Moderne, thematisierte die enge Wechselwirkung zwischen künstlerischer Moderne, Intimit?t und Individualit?t etwa durch die berühmte Publikation seines Badezimmers mit gl?serner Badewanne. Die Planung ?ffentlicher Museen oder Regierungsbauten blieb ihm verwehrt, da die moderne Formensprache (umgekehrt und negativ konnotiert) noch als private Formensprache einer rebellischen Minderheit gesehen wurde. Immerhin schuf er die Wiener Stadtbahn und andere ?ffentliche Infrastrukturen. Die n?chste Architektengeneration um seinen Schüler Josef Hoffmann und dessen südm?hrischen Schulkollegen Adolf Loos trug die lebensrefor-merische Botschaft der individuellen Umweltgestaltung in die Breite. Sie verlieh der Lebenswelt der kunstsinnigen und wohlhabenden Kinder bürgerlicher Gründer des Industriezeitalters auf zwei kontr?re Weisen eine neue Gestalt, mit der sie sich vom histo-ristischen Schwulst-Ambiente ihrer Eltern abgrenzten. Loos war besonders bei der kritischen Intelligenzia und in der Modebranche als Wohnungseinrichter und Villenplaner beliebt - diese privatesten aller Bauaufgaben machen den Gro?teil seines (Euvres aus. Das MAK zeigt daher einen kenntnisreich von Rainald Franz (MAK) und Markus Kristan (Albertina) kuratierten überblick über Loos' Privath?user, die dieser in Wien und Paris, in Tschechien und ?sterreich errichtete. Gezeigt werden zahlreiche Rekonstruktionsmodelle seiner Wohnh?user mit ihrem innovativen inneren ?Raumplan" sowie Zeichnungen aus dem Nachlass in der Albertina. Die Geh?use sollten durch ihre Diskretion nach au?en (glatte Fassaden, kubisch-?neutrale" Form) und ihren inneren r?umlichen Reichtum der Entfaltung individueller Privatheit dienen. Das eigene Privatleben des Architekten hingegen thematisiert die Schau der Wienbibliothek, kuratiert von Gerhard Murauer und Sylvia Mattl-Wurm. Die Bibliothek erwarb vor einigen Jahren zahlreiche Dokumente und Fotos aus der Sammlung von Franz Glück, dem Direktor des Historischen Museums der Stadt und Herausgeber von Loos' gesammelten Schriften. Aus diesem Bestand werden nun Manuskripte, Briefe von Bauherren, Skizzen und Fotos gezeigt - und zwar in der von Loos gestalteten Wohnung Boskovits, die der Wienbibliothek neuerdings als stimmungsvoller Veranstaltungsraum dient. So kann man der -mitunter auch irritierenden - Pers?nlichkeit des Architekten nahekommen, der vielen traditionell Erzogenen zur Entfaltung ihrer eigenen Pers?nlichkeit verholfen hat.