Kloepfer, Michael, unter Mitarbeit von Wales, Andreas, Deye, Sandra und Schärdel, Florian, Handbuch des Katastrophenrechts

摘要

Die Bundesrepublik hat katastrophenrechtlich bislang viel Glück gehabt. Nach der Urkatastrophe des Großen Nordseehochwassers 1962 blieben vergleichbare Großschäden nahezu vollständig aus, und die konnten mit den Instrumenten des Hochwasserrechts bewältigt werden. So blieb das deutsche Katastrophenrecht fast ohne Anwendungsfall. Und dadurch blieb es zugleich law in books. Rechtsprechung und Rechtswissenschaft waren auf Randfragen beschränkt, und die stürmische Entwicklung vom Polizei- zum Sicherheitsrecht ging an der Materie weitgehend vorbei. Hier bleiben wenige Spezialisten unter sich. Von ihrem Wirken zeugen noch heute Millionen atombombensichere Kellerräume, die längst anderweitig genutzt werden, und zahllose Feuerlöscher in Privathaushalten, deren Wartungsfristen oft schon über ein Jahrzehnt lang abgelaufen sind. In manchen Dienststellen greift dann leicht Larmoyanz um sich: Kritik an einer „Vollkaskomentalität" in der Gesellschaft, die sich auf eine Rundumversorgung durch gesellschaftliche und notfalls staatliche Stellen verlasse und immer weniger in der Lage sei, eigene Basisbedürfnisse bei Bedarf eine Zeitlang hindurch auch selbst zu befriedigen, ist noch auf der Suche nach dem richtigen Adressaten. Denn die dort viel beklagte „Entmündigung" der Menschen ist keine Verschwörung böser Mächte oder gar des bösen Staates. Im Gegenteil: Dass der moderne Adam nicht mehr graben und die moderne Eva nicht mehr spinnen kann, ist aus der Sicht des Normalfalls kein Verlust, sondern die unmittelbare Kehrseite derjenigen Phänomene, welche die Grundlagen der Lebensqualität moderner Gesellschaften darstellen. Deren Störungsanfälligkeit begegnet man am schlechtesten dadurch, dass man die hier nur angedeutete Entwicklung als Verlust beschreibt und sich ihr entgegen zu stellen versucht. Vielmehr bedarf es eines Denkens, welches an die gewandelten Umstände anknüpft und ein Instrumentarium entwickelt, das jene Entwicklungen und ihre Ergebnisse primär als Chance begreift. Dies ist ein Anliegen der neuen Sicherheitsforschung, deren Grundbegriffe wie Resilienz, Szenariendenken, Katastrophenprävention, kritische Infrastrukturen, Wirkungsketten, zivile Selbsthilfefähigkeit, dual use, vernetzte und kooperative Sicherheitsgewährleistung, Ressourcenorientierung u.a.m. diskutiert. Die Ausläufer derartiger Fragestellungen erreichen inzwischen ansatzweise das Recht und die Rechtswissenschaft.