Die Beziehung Europa - Türkei beherrscht momentan unsere Medien. Grund genug, sich mit der Metropole am Bosporus und mit der Geschichte der Landverkehrsverbindungen über die Meerenge näher zu beschäftigen. Die erdbebengebeutelte Großstadt auf zwei Kontinenten mit den vielen Namen -Byzanz, Konstantinopel, Ostrom, Roma nova, Stambul, Istanbul - erlebt seit einem halben Jahrhundert eine wahre Bevölkerungsexplosion. Die Einwohnerzahl, die schon in der Antike die Halbmillionengrenze überschritten hatte, erreichte Mitte der 1950er-Jahre die Million und hat sich seitdem mehr als verfünfzehnfacht. Entsprechend ist die Siedlungsfläche gewachsen -und mit ihr die Verkehrsmisere im Großraum Istanbul. Derzeit stehen dem Straßenverkehr zwei Bosporusbrücken zur Verfügung, eröffnet 1973 und 1988. Eine dritte, die auch ein Fernbahn-Doppelgleis aufnehmen soll, steht kurz vor der Vollendung. Seit 2013 verbindet eine U-Bahnlinie unter dem Marmara-meer den europäischen und den asiatischen Teil der Stadt. Ein Autotunnel, Kernstück des Eurasiaprojekts, geht in Kürze in Betrieb. Weitere interkontinentale Schienen- und Straßenverbindungen sind in Planung. All diese Projekte haben ein Ziel: das Jahr 2023, in dem sich die Gründung der modernen türkischen Republik durch ATATÜRK zum 100. Mal jährt. Wenn alles zeitgerecht fertiggestellt werden würde, stünden insgesamt im Großraum Istanbul dem Landverkehr zwischen Europa und Asien 22 Kfz- und 8 Pkw-Fahrstreifen sowie 6 Nah- und 2 Fernverkehrsgleise zur Verfügung. Das würde die Verklammerung der beiden Kontinente spürbar intensivieren. Aber die Verbindungsbauwerke werden nicht nur die tektonischen Spannungen der nordanatolischen Verwerfungszone aushalten müssen, sondern auch die politischen Differenzen überbrücken müssen, die sich aus dem bei uns derzeit heftig diskutierten Unterschied der Systeme hüben und drüben ergeben, und die hoffentlich bald beigelegt sind. Es fragt sich nur, ob am glücklichen Ende - symbolisch gesprochen - Asien an Europa hängt oder Europa an Asien.
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